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"Bergpredigt". Acryl auf Leinwand, zweiteilig. Weitere Aufnahmen von Karola Onkens Bildern finden Sie nach einem Klick auf das Foto

6. Dezember 2011

Einleitung zur Ausstellungseröffnung im Oldenburger Oberlandesgericht

Das Werk von Karola Onken wird hier nur in einem kleinen Ausschnitt gezeigt: Es gliedert sich in mehreren Abteilungen nach Themen z.B. wie wir hier sehen können, nach Malerei, die die Bibel in Bilder faßt, und nach Landschaftsansichten, die Realität und Impressionen von bekannten und unbekannten Bauwerken oder Landschaften wiedergeben. Die Bilder sind so klar gefaßt und farblich so differenziert aufgebaut, dass sie im einzelnen hier nicht ausführlich besprochen werden müssen. Der Hafen von Sassnitz wird durch die Fischerboote gekennzeichnet, Stonehenge ist ohnehin eine zwar rätselhafte, aber doch leicht erkennbare Räumlichkeit, und Gebäude wie der Reichstag oder der Fischmarkt in Venedig sind gleichfalls bekannt. Wichtig für das Verständnis der Bilder ist, dass alle Motive vor dem Ort oder dem Bauwerk selbst gemalt worden sind, also pleinair wie einst - vor 200 Jahren - die Schule von Barbizon und die Maler aus dem Umfeld von Alexander von Humboldt auf seiner Südamerika-Reise -, die erstmals Natur wirklichkeitsnahe und direkt gemalt hatten.

Der andere Ausstellungsbereich, die Bilder hier an der Wand, stehen unter dem Arbeitstitel: Die Bibel ins Bild setzen, womit aber offensichtlich weniger eine Illustration als ein Nahempfinden von biblischen Räumen und Geschehen gemeint ist. Hier müssen wir ein wenig nachhaken, denn wir alle wissen von Tausenden von Beispielen, dass in unserer Zeit eine enge Bindung von Kunst an eine Religion oder - man möge mir verzeihen, wenn ich hier etwas gleichsetze - Ideologie dies dem Werk nie gut getan hat - milde ausgedrückt. Aber warum haben wir diesen Vorbehalt bei der Betrachtung der Bilder von Karola Onken nicht ? Nun hat es in der Geschichte der biblischen Malerei des 20. Jahrhunderts große Künstler gegeben, die sich der Devotionalienmalerei entziehen konnten, die Kapellen und Kirchenräume ausgemalt und mit Fenstern versehen haben - ich brauche nur an Picasso, Chagall und Dali erinnern - wo sich diese Frage nach Qualität und Sentiment nicht stellt. Karola Onken bewahrt ihre Werke vor der Süße einer allzu leichten Übertragung religiöser Motive in Malerei. Wie sie arbeitet, möchte ich hier an drei Beispielen andeuten: Das Kreuz, dieses härteste der christlichen Zeichen, läßt sie als unkörperliche Erscheinung auftreten; es ergibt sich. Wenn es durchscheint, so der Titel, dann ist der Schein da, nicht das Holz oder selbst das Bild des Holzkreuzes nicht. Oder das Kreuz ist im Bild tatsächlich nur eine Wegscheide, ein Lichtreflex, eine Verdichtung von Licht, aber kein Balken, kein realer Gegenstand, vielleicht ein Grabmal oder - häufiger noch - eine auf der Bild- Fläche auftretendes konstruktivistishes Detail. Natürlich gibt es im Oeuvre auch andere Kreuzmotive; aber fast alle lassen sich diskutieren, sind offener und vieldeutiger als sonst in der christlichen Symbolik. Zweites Beispiel: Der Garten Gethsemane. Karola Onken  faßt ihn nicht paradiesisch oder leicht begehbar auf, sondern wild, mit knorrigen, vielleicht schon abgestorbenen Bäumen und einem Feuerrot, wo eigentlich die Füße ihren Weg finden sollten. Dieses Rot finden wir zu unserer Überraschnung auch im dritten Bild, der Ausspeiung Jonas, der nicht mit einem Schwall zu viel verschlucktem Wasser, sondern mit einer feuerroten Brühe ausgeworfen wird. Er muß ungenießbar gewesen sein. Keines der genannten Bilder ist gefällig im Sinne, es erleichtere den Zugang zur christlichen Religion oder gar zur christlichen Ikonografie. Im Gegenteil, die Künstlerin macht es dem Betrachter, was den Stoff und die von Tausenden von Bildern bekannte Motivik nicht leicht, und sie zeigt durchaus keine Bilder, von denen man sagen könnte - "So könnte es gewesen sein". Das würde bedeuten, dass sie sich den tradierten Klischees allzu sehr genähert hätte. Es gibt einen Begriff, der in der Kunstsprache selbstverständlich ist und der das Werk von Karola Onken in allen Facetten zusammenfassen kann - das ist der Begriff "Abstraktion". Es muß nicht gesagt und ausgearbeitet werden, dass grundsätzlich  auch alle gegenständlichen Bilder, wie sie hier ausgestellt worden sind, gegenüber der Realität natürlich Abstraktionen darstellen - weder das Volumen, noch die Strukturen rechtfertigen eine Identität der Bilder mit der Wirklichkeit. Überall, selbst bei der Wiedergabe des Reichstagsgebäudes, setzt sich die subjektive Farbgestaltung durch, die lockere Linien- und Streifenführung der Farben - alles Schritte der Abstraktion. Die Bibel-Motive sind um einiges stärker abstrahiert; denn sie haben sich in der Vorstellung entwickelt und finden in der Vorstellung von Karola Onken ihre abstrahierte, darum nicht weniger dinglich-motivische Wiedergabe. Die Abstraktion ist dort am größten, wo die Vorstellungskraft des Menschen nicht ausreicht - in der Formgebung des Kosmos, im Schöpfungsvorgang und - Ewigkeiten später - im Kreuzmotiv. Karola Onken ist mutig, solche Themen anzugehen, sie belohnt sich mit Werken, die einer Auseinandersetzung standhalten. Jürgen Weichardt, Fotos: Torsten von Reeken, Anne Lehmann ­­­­­­­­­­­­­­­­­­