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"Bergpredigt". Acryl auf Leinwand, zweiteilig. Weitere Aufnahmen von Karola Onkens Bildern finden Sie nach einem Klick auf das Foto

26. Oktober 2013

Ausstellung „Zweifeln und Staunen“ – mit Werken von Karola Onken (20. Oktober 2013 in der Thomas-Kirche, Oldenburg)


Einführende Worte von Dr. Gabriele Lachner
zur Ausstellung „Zweifeln und Staunen“ – mit Werken von Karola Onken (20. Oktober 2013 in der Thomas-Kirche, Oldenburg)
Sehr verehrte Damen und Herren,

„Vom Zweifeln zum Staunen“ – Die Thomas-Kirche hat ihr Jubliäumsjahr: 50 Jahre! Thomas, der „ungläubige Thomas“, dem Jesus sagt „Selig sind, die nicht sehen und dennoch glauben“. – Das ist kein Vorbild im Glauben. So zumindest wurde Thomas mir als Kind vermittelt. So zumindest wurde er mir in vielen Predigten vermittelt. Heute glaube ich, dass eine solche Sichtweise dem Thomas Unrecht tut.
 Ich halte es sogar für möglich, dass niemand der Apostel dem auferstandenen Christus so nahe gekommen ist wie Thomas. Mal ehrlich: wem lasse ich schon in meine Wunden fassen!? Vom wem lasse ich mich denn auf bloßer Haut an meiner Seite berühren, zumal auch diese eine geöffnete Wunde war?! Wen würden Sie denn so nahe kommen lassen?! Thomas hat nicht unhinterfragt geglaubt, aber ist auf Christi Angebot zur Nähe eingegangen. Er hat berührt und sich berühren lassen.
Die Berührung! Darum geht es. Das ist das Eigentliche. Darum geht es auch heute in dieser Ausstellung von Frau Karola Onken: sich von dem Dargestellten berühren lassen. In Berührung kommen mit unserem Gott, sich von unserem Gott berühren lassen. Schließlich sind die Bilder von Frau Onken auch aus der Berührung, aus der Berührung mit Gott entstanden. 
Bilder verkünden in anderer Weise als das gesprochene Wort. Wohl kann ich mich auch vom gesprochenen Wort berühren lassen. Und doch verleitet es dazu, dass ich mich zum Gesagten positioniere: ich stimme dem zu, oder ich lehne es ab. Ich reflektiere es, diskutiere es, ich setze mich damit ausei- nander, bilde mir meine Meinung zu bestimmten Positionen und Thesen, distanziere mich oder identifiziere mich.
Als Ökumene-Frau bin ich mir durchaus bewusst, dass Bild und Wort in den einzelnen christlichen Traditionen unterschiedliche Bedeutung haben. Ein typisch evangelisch-reformierter Kirchenraum wie z.B. die Große Kirche in Leer vermittelt atmosphärisch etwas völlig anderes als ein orthodoxer Kirchenraum. Und weil wir hier in unserem Kultur-Kreis uns viel zu schnell in „typisch evangelisch – typisch katholisch“ erschöpfen, will ich etwas vom Reichtum orthodoxer Frömmigkeit einfließen lassen: 
Wer als Nicht-Orthodoxer eine orthodoxe Kirche betritt, hat schnell das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein: viele Kerzen, viele Bilder, viel Gold, ... ja sogar vor dem Altarraum eine große Bilderwand, die sogenannte Ikonostase. Ikonen, vor denen orthodoxe Gläubige sich verneigen, Kerzen aufstecken, ... Viele küssen die Ikonen, bekreuzigen sich vor der Ikone. – „Was ist das für eine eigenartige Bilderverehrung?“, fragt sich da mancher Besucher, insbesondere, wenn er oder sie selbst aus einer eher wort- dominierten christlichen Tradition kommt. Was ist das für eine eigenartige Bilderverehrung!? 
Letztlich ist es gar keine Bilderverehrung. Die Ikone, eine stilisierte Darstellung Christi, Darstellung der Dreifaltigkeit, Darstellung Mariens, bestimmter Heiliger oder biblischer Personen, nach strengen künst- lerischen Vorgaben erstellt, wird nicht verehrt. Die Ikone, das Bild, wird nicht verehrt. Aber sie wird verstanden als ein Fenster zum Himmel, als ein geöffnetes Fenster zu dem jeweils Abgebildeten. Nicht die Christus-Ikone wird verehrt, sondern die Verneigung vor der Ikone, der Kuss der Ikone, gilt Christus. Nicht die Marien-Ikone wird verehrt, sondern diese Ikone ist wie ein geöffnetes Fenster, durch das uns das Himmlische, das Gottnahe, in diesem Fall Maria als Mutter Gottes ganz nahe ist. Die Ikone, gleichsam ein geöffnetes Fenster, durch das etwas vom Göttlichen in unsere Wirklichkeit einbricht. Die Ikonenfrömmigkeit, eine mystische Erlebensweise, hineingenommen in das Mystische, Geheimnis des Glaubens! Eine Berührung mit dem Göttlichen.
Die Berührung! Darum geht es. Das ist das Eigentliche. Darum geht es auch bei den Werken von Frau Karola Onken: sich von dem Dargestellten berühren lassen. In Berührung kommen mit unserem Gott, sich von unserem Gott berühren lassen.
So wünsche ich Ihnen in diesem Sinn eine intensive Begegnung mit den hier ausgestellten Bildern, die ins Zweifeln und Staunen führen können mit den biblischen Themen, die sie aufgreifen. Sie führen uns nach Getsemani, wo vielleicht ein abgründiges Zweifeln über das Staunen dominiert. Sie führen uns an die Verheißung heran, die Abraham bekommen hat „Zieh nur fort aus dem Land Abraham ... Ich werde dich zu einem großen Volk machen.“ – Zweifeln und Staunen. Sie führen uns mit Hagar in die Wüste und mit den Emmaus-Jüngern in die Begegnung mit dem Auferstandenen. 
Und diese wie all die anderen ausgestellten Werke führen uns letztlich immer wieder an unseren eige- nen Glaubens- und Lebensweg heran: an die eigene Verlassenheit und Angst, an die Aufbrüche im eigenen Leben, die Zukunftshoffnungen, das Sich-mit-Gott-auf-den-Weg-Machen, an Zweifeln und Staunen im eigenen Leben.
Lassen Sie sich von diesen Bildern berühren, vielleicht wird das eine oder andere für Sie ja zu einem geöffneten Fenster, durch das etwas vom Göttlichen in unsere Wirklichkeit einbricht. 

Dr. Gabriele Lachner
Fachstelle Ökumene des Bischöflich Münsterschen Offizialates Vechta und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Niedersachsen (ACKN)