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"Bergpredigt". Acryl auf Leinwand, zweiteilig. Weitere Aufnahmen von Karola Onkens Bildern finden Sie nach einem Klick auf das Foto

25. Dezember 2007

Schöpfung

„Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“(Ps.8, 4-5). Ein großes Bild vom Schöpfungsgeschehen: Der Himmel wird nach Psalm 104,2 wie ein Teppich „ausgebreitet“ und der Betrachter wird mit hineingenommen in das anbetende Staunen des Psalmbeters:“Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet!“ (Psalm 104, 24). Und dann der Mensch – zum Herrn der Schöpfung und zur Gottebenbildlichkeit hat ihn Gott erschaffen.
Ein kleiner roter Punkt am Schluss des ganzen Schöpfungsgeschehens, dass er sich ja nicht „überhebt“, sondern verantwortlich und zugleich erlösungsbedürftig seiner Berufung lebt. Sehr einfach ist dieses Bild mit einem Kindergedicht erklärt:

„Am ersten Tag schuf Gott das Licht.
Am zweiten er den Himmel richt´.
Am dritten schuf er Land und Meer,
am vierten auch der Sterne Heer, am fünften Fisch und Vogelschar.
Am sechsten Tier und Mensch war da.
Am siebten Tag hat Gott geruht.
Und seine Werke waren gut.“

Der Prophet

Da ist er: der Prophet in seinem roten Prophetenmantel. Er übt sein Amt aus. D.h.: Zuerst hört er, er horcht, konzentriert sich auf Gottes Wort. „Alle Morgen weckt er (Gott) mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören.“ (Jes.50,4) Damit dem Hörenden ja nichts entgeht, nimmt er die Handmuschel zu Hilfe, ist er ganz Ohr. Dann gibt er das Gehörte weiter – getreu seinem Auftrag - an Gottes Volk, ob die Menschen es hören wollen oder nicht.

Im Bewusstsein der Treue Gottes, die war, ist und sein wird (blauer Bogen), ruft er zur Umkehr, kündigt er Gericht an und weist in und aus aller Tiefe und Verzweiflung mit ausgestrecktem Arm auf den kommenden Erlöser hin. In vielen prophetischen Texten finden wir den Hinweis auf Jesus, deshalb das
Kreuz oben rechts.

Der Herr ist auferstanden

Karfreitag, Jesu Kreuzigung, muss für seine Jünger und Nachfolgerinnen die Katastrophe gewesen sein. Alle Hoffnungen, die sie mit ihrem Herrn verbanden, sind zerschlagen, Sinn des Geschehens und des eigenen Lebens vernebelt.

Doch nun: Das Grab ist leer. Unvorstellbar! Der Herr ist auferstanden! War das Kreuz von Karfreitag her einfach nur dunkel, hart, grausam und unverständlich (linke Kante) , so wird von der Auferstehung her in dem schrecklichen Geschehen Gottes Liebe zu seinen Menschen deutlich (rote Farbe). Und das Kreuz beginnt zu leuchten. Osterlicht in alle Dunkelheit!

Die schwarzen Kanten bleiben, aber die Erlösung durch das Blut Jesu ist vollbracht. Einige Menschen sind davon erfasst und tragen die Farbe des Glaubens mit sich: „Der Herr ist auferstanden!“. Osterjubel in dankbarer Freude! Andere gehen noch im Nebel des Ostermorgens,zwei davon nach Emmaus. Ihnen begegnet der Auferstandene auf dem Wege, er geht ihnen nach und legt ihnen die Schrift aus.

„Brannte nicht unser Herz, als wir mit ihm auf dem Wege waren?.. .und sie erkannten ihn!“. Der Herr ist auferstanden. Er lebt! Bei dieser Erkenntnis fallen die scharfen Kanten des Kreuzes nicht mehr ins Gewicht. Es wird zum leuchtenden Wegkreuz, das Hoffnung und Wegweisung
fürs Leben gibt.

Offenbarung

„Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“- (Offenbarung 22,13). Das A, der Anfang, in Rot: Gottes Liebe! Das O in den Farben des Regenbogens, sinnbildlich für alle Verheißungen, deutlich am Ende der Sintflutgeschichte. Jesus als der wiederkommende Herr vollendet die Heilsgeschichte, in der auch mein Leben zum Ziel kommt. Das leuchtende Kreuz spricht uns darauf an. „A+O“ - nicht abstrakt im luftleeren Raum, sondern auf dem Flickenteppich, sinnbildlich für den eigenen Lebensboden.

Beim Malen habe ich immer wieder gesungen: „Christus wird sein ALLES in ALLEM. Halleluja!“ (Aus dem Lied „Die Wüste erwacht und der Dornbusch wird blühen...“)

10. Mai 2007

Die Sprache der Menschen sprechen – Mission und Kunst

Impulsreferat von Dr. Klaus Hampe zur Eröffnung der Ausstellung von Karola Onken am 23.02.2007

0. Einführung

Folie 1 liegt auf

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Seit der Umgestaltung und Neueröffnung dieses Hauses zeigen wir hier immer wieder Kunst. Aus unterschiedlichen Ländern, mit ganz verschiedenen Themen. Ich spare mir jetzt eine Aufzählung der ca. 20 Ausstellungen, die es hier in den letzten 7 Jahren gegeben hat. Frau Pede würde sich zwar darüber freuen, aber Sie könnten es sich nicht merken und mir raubt es wertvolle Minuten von der halben Stunde, die ich habe, um Sie mit in meine Gedanken zu nehmen. Also lasse ich das.

Stattdessen möchte ich Ihnen fünf Impulse geben zum Themenkreis Sprache – Kunst – Mission. Ich tue das als Kommunikationswirt mit journalistischem Hintergrund und einer Ader fürs Psychologische. Das kann zur Folge haben, dass ich nicht unbedingt in allem der Theologenzunft gefallen werde. Doch wie einsilbig wäre unsere Welt, wenn es auf ihr nur eine einzige Sichtweise gäbe.

Meine fünf Impulse wollen dazu anregen, sich auf Kunst als Sprache des Glaubens einzulassen. Sie heißen:

Folie 2

1. Der Glaube spricht die Sprache der Menschen

2. Kunst ist die Sprache der Gefühle

3. Kunst überschreitet Grenzen

4. Die Sprache des Glaubens überschreitet Grenzen

5. Mission überschreitet Grenzen

Damit Sie Ihren Erschöpfungsgrad mit der noch anstehenden Dauer des Referates in Einklang bringen können, werde ich mit Hilfe der Folien immer wieder zeigen, wo wir uns gerade befinden.

Folie 3


1. Der Glaube spricht die Sprache der Menschen

Sprache, so denken wir im ersten Moment, das sind Wörter und Sätze. In Wörtern und Sätzen stellen wir unsere Gedanken dar, um Sie anderen Menschen zu schicken. Das tue ich gerade.

Wenn ich also vom Glauben spreche, dann muss ich das in Wörtern und Sätzen tun, so dass Sie es verstehen. Nur dann kommen meine Gedanken über den Glauben bei Ihnen an.


Ich habe einen Aufsatz des Theologen Gerhard Ebeling gefunden, in dem davon die Rede ist. Ich lese Ihnen mal einen Ausschnitt vor:

Theologische Sprache redet – in welcher Weise auch immer – von dem, was den Menschen in der ihn angehenden Wirklichkeit unbedingt angeht und letztlich trifft, ist also auf das bezogen, was jeden angeht, weil es mit seiner Existenz gegeben ist. Denn Sprache der Theologie als Sprache des Heils ist auf den Menschen als Menschen bezogen. Spricht die Theologie von dem Verborgenen, Unsichtbaren, Zukünftigen, das sich der Erfahrung entzieht, so tut sie das doch in der Weise des sinnvollen, verstehbaren Bezuges auf den Bereich menschlicher Erfahrung.

Zitat Ende. – Haben Sie das verstanden? – Ich auch nicht. Und schon erleben wir die Grenze der Wörter. Da spricht einer von der unbedingten, sinnvollen, verständlichen Sprache der Theologie – und er ist dabei doch schon unverständlich, muss auseinandergepflückt und interpretiert werden.

Gesprochene Sprache erreicht eben ganz schnell ihre Grenzen. Weil Sie einen Gedanken in abstrakte Symbole packt – Wörter und Sätze. Diese Symbole werden an einen anderen Menschen geschickt – gesprochen. Und dieser Empfänger muss dann die Symbole auspacken, dekodieren und wieder in Gedanken verwandeln.

Das ist alles andere als ein einfacher Vorgang. Erstmal braucht der Empfänger viel Zeit, um die Sprachsymbole wieder in Gedanken zu verwandeln. So viel Zeit lassen wir Redner den Leuten meist nicht. Und zusätzlich müssen beide, Sender und Empfänger die gleiche Methode des „Verpackens“ haben. Sonst funktioniert der Übersetzungsprozess überhaupt nicht.


Ich habe das als Journalist vor Jahren schmerzlich erlebt. In einem Artikel über Gottesbilder habe ich vollmundig getextet, wie schön es sei, dass wir das „Vaterunser“ haben. Damit könnte man jedem Menschen nahe bringen, dass Gott uns liebt, wie ein Vater seine Kinder liebt. – Stimmt doch, oder?

Von wegen. Ein paar Tage nach Erscheinen des Artikels bekam ich einen Leserbrief:


Ein Mann erklärte mir zornig, dass das wohl ziemlich blauäugig sei. Er hätte seinen Vater als ziemlich lieblosen brutalen Kerl in Erinnerung. Wenn er sich Gott als Vater vorstellen soll, dann wird ihm schlecht.


Der Glaube spricht die Sprache der Menschen? – Gar nicht so einfach.

Sicher, als Journalist wünsche ich mir – genau wie jeder Prediger und jede Predigerin am Sonntag auf der Kanzel, dass meine Worte genau das transportieren, was ich denke. Aber das tun sie nicht. Sprache ist ein armseliges Werkzeug, wenn es darum geht, vom Glauben zu erzählen.


Aber – warum ist das so?

Eine Antwort finde ich bei Jesus. Sie kennen alle den Satz, mit dem er „das Gesetz“, die Essenz unseres Glaubens zusammenfasst: „Du sollst Gott, den Herrn, lieben.

Lieben! – Was ist Liebe? Liebe ist kein Gedanke. Liebe ist ein Gefühl.


Wörter und Sätze sind eine Abstraktionsleistung unseres Verstandes. Zum Ausdrücken von Gefühlen taugen sie nur sehr beschränkt. Das zeigt das Beispiel mit dem Vaterunser.

Glaube hat aber sehr viel mit dem Gefühl zu tun und nicht in erster Linie mit dem Verstand.


Darum: Man kann über den Glauben nicht – na ja, nicht nur – in der Sprache des Verstandes sprechen. Man muss gleichzeitig die Sprache des Gefühls sprechen.



Folie 4

2. Kunst ist die Sprache der Gefühle

Jetzt sind wir beim zweiten Impuls. Nun wird es für Sie als Hörerin und Hörer etwas freundlicher. Bis eben haben wir uns mit der „Verstandessprache“ beschäftigt. Jetzt kommen wir zur Sprache der Gefühle.


Ich will meinen Berufsstand des „Schreiberlings“ nicht vollkommen diskreditieren. Natürlich habe ich auch schon bei einem sehr emotionsgeladenen Roman oder bei einem meisterhaften Gedicht eine stille Träne verdrückt. Natürlich können wir auch – in begrenztem Maße – mit Wörtern Gefühle ausdrücken.


Aber: Wenn ich den vierten Satz von Beethovens neunter Sinfonie höre, dann läuft mir immer wieder ein Schauer über den Rücken. Dann werden in meinem Innersten Bereiche angesprochen, die sich sonst nicht so einfach melden. Da sehe ich Bilder, erinnere mich an Begegnungen. Da findet etwas in meinem Kopf statt, das ich nicht so einfach mit Wörtern beschreiben kann.


Ganz deutlich erlebte ich das vor einigen Jahren bei der Begegnung mit einem Bild.

Folie 5

Dies ist ein Bild der Hermannsburger Künstlerin Isabella Colling. Es ist aus einem Zyklus zur Schöpfungsgeschichte. Ich begegnete diesem Bild hier im Ludwig-Harms-Haus vor einigen Jahren – und habe es spontan gekauft. Ich musste es tun.

Der Grund dafür: Für eine Osterpredigt hatte ich mich abgemüht zu beschreiben, was Auferstehung für mich bedeutet. Was das Erscheinen der Engel am Grab für mich bedeutet. Ich hatte versucht zu erklären, was für eine Erfahrung es ist, wenn man begreift, dass diese meine Alltagswelt urplötzlich einen Riss bekommt, durch den ich einen Blick auf die Realität der Welt Gottes erhaschen kann.

Sie merken schon: Ich muss mich ziemlich mit Wörtern abquälen, um das zu beschreiben. Und das, was ich fühle, das kommt dabei nicht wirklich rüber.

Und dann kommt diese Künstlerin daher, reißt ein Loch in eine bemalte schwarze Pappe, lässt dahinter Farben aufscheinen und die mit simplen Wollfäden in die schwarze Pappwelt züngeln – und sagt damit alles, was ich fühle und nicht wirklich befriedigend in Wörter packen kann.

Kunst ist die Sprache der Gefühle.

Der Spruch stimmt: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Jedenfalls, wenn es um Gefühle geht. Da kann ein Bild Dinge tun, die wir von der schreibenden Zunft nur mit großer Anstrengung und dem Glück des Musenkusses manchmal nachahmen können.

Folie 6

3. Kunst überschreitet Grenzen

Warum ist das so? Warum schafft Kunst, was Wörter nicht schaffen können?


Unsere Sprache ist eine Vereinbarung, dass bestimmte Wörter für uns alle eine bestimmte Bedeutung haben. Wenn ich „Tisch“ sage und Sie hören das Wort, dann sehen wir beide das gleiche vor unserem inneren Auge. –

Tatsächlich? – Tisch! – Was sehen Sie?

Den Couchtisch in Ihrem Wohnzimmer mit Ihrem Lieblingsbuch darauf?

Den Esstisch, um den sich zehn Freunde versammelt haben, die lachen und scherzen?

Den Schreibtisch in Ihrem Büro mit dem Berg unerledigter Sachen darauf?

Glauben Sie wirklich, wir haben das gleiche Bild vor Augen bei dem Wort „Tisch“?


Folie 7

Wenn ich Ihnen aber dieses Bild zeige, dann sind unsere Gedanken wieder synchron: Ein schlichter Holztisch in Brasilien, an dem erklärt wird, wie ein Wasserfilter funktioniert. Wie viele Wörter hätte ich gebraucht, um das ohne Bild zu erklären?


Und jetzt stellen Sie sich vor, ich würde Gefühle wie Furcht, Sehnsucht, Geborgenheit, Liebe, Vertrauen beschreiben. Glauben Sie es würde mir gelingen, dass wir dabei das gleiche Bild vor Augen haben?


Unser Gehirn benutzt für die Darstellung von konkreten Geschehnissen, sozialen Ereignissen und Gegenständen Wörter und Geschichten. Bei der Darstellung von Gefühlen benutzt unser Gehirn aber eine ganz andere Sprache. Wir kennen das aus der psychoanalytischen Traumarbeit.

Wenn es in einem Traum um soziale Themen oder Verhaltensdinge geht, dann erzählt der Traum eine Geschichte. In diesem Fall bleibt die Analyse auf der „Subjektebene“, beim Erleben des Klienten. Ein Beispiel: Der Klient erzählt: „Ich komme in einen großen leeren Saal, wie ein Gerichtssaal. Dort soll ich eine Rede halten. Die Leute sind aber noch nicht da. Um mich sicherer zu fühlen, spreche ich laut meinen Namen aus. Und das Echo klingt richtig gut und melodisch.“

Für den Analytiker wird klar: Der Träumer setzt sich damit auseinander, wie er sich in Gruppen sicherer fühlen kann. Und sein Traum sagt ihm: „Du musst einfach nur zu Dir selbst stehen. Du weißt, dass Du gut bist.“ An diese Erkenntnis können wir den Träumer heranführen, indem wir fragen: Was fällt dir zu dem Wort Gerichtssaal ein? (Auf dem Präsentierteller sein, Rechenschaft geben müssen).

Was fällt dir zu laut reden ein? (Als ich einmal als Kind allein im Keller war, habe ich laut mit mir selbst geredet. Da hatte ich nicht mehr so viel Angst.“) Und so weiter.


Ist der Träumer aber in einer emotional angespannten Situation, dann könnte sein Traum so aussehen: „Ich war in einer Stadt und die Leute hatten schreckliche Angst. Da trieben sich nämlich zwei Monster herum. Der Bürgermeister der Stadt kam zu mir und sagte: „Du bist der Meister. Du musst die Monster vertreiben.“ Dann kamen die Monster. Das erste war ganz schwarz. Das kam auf mich zu. Aber ich bin nicht zurückgewichen. Da wurde es ganz klein und lief weg. Dann kam das zweite Monster. Das war ganz feurig gelb. Dem hab ich ein Seil in die Hand gedrückt und es zu einem feurig roten Vulkan gebracht. Da habe ich das Monster runtergelassen. Als es ganz klein und rot war, da dachte ich: Nun ist es gut und bin zufrieden weggegangen.“

Beide Träume stammen aus echten Therapien. Der zweite Traum macht dem Klienten einen Vorschlag, wie er mit seinen Gefühlen umgehen muss. Der Träumer hatte Depressionen. Depressionen sind manchmal auf das Unterdrücken von Gefühlen zurückzuführen. Der Traum zeigte ihm einen Ausweg daraus. Der Therapeut kann dem Klienten die Bedeutung des Traumes erschließen, indem ich ihm die Deutung der Symbole anbietet. Zum Beispiel so:




In der Symbolsprache der Träume bedeutet „schwarz“ das Verdecken von etwas. Das erste Monster könnte also von Dir sein, was du nicht sehen willst und das dir Angst macht. (Ja. Ich kann mit meiner Wut nicht umgehen. Ich mache immer alles kaputt, wenn ich wütend bin. Darum versuche ich nicht wütend zu sein.) – Könnte es sein, dass Dein Traum Dir sagt, dass Du vor der Wut nicht ausweichen sollst? Wenn Du sie aushältst, dann wird sie vielleicht von allein kleiner. (Klient: Nickt nachdenklich.)

Weiter kann der Therapeut erklären: Gelb ist ein Symbol für freie, ungelenkte Energie. Das gelbe Monster lässt du in einen roten Vulkan runter. Rot steht oft für kontrollierte, gesteuerte Energie. Vielleicht sagt Dir dein Traum, dass Du die Energie, die in Deiner Wut steckt, getrost an die Hand nehmen kannst und sie wird von wilder freier Energie zu nützlicher roter Energie werden. usw.


Wenn sich also unser Gehirn mit Gefühlen beschäftigt, benutzt es eine ganz andere Sprache, als bei der Auseinandersetzung mit „Alltagsdingen“. Es benutzt eine universelle Bildsprache, in der Farben eine ganz wichtige Rolle spielen.

Folie 8

Schwarz zum Beispiel ist bei allen Menschen unseres Kulturkreises das Symbol für das Verbergen des Schrecklichen, Angst machenden.

Folie 9

Rot als Symbol für kontrollierte Kraft und gelb eine Farbe, die freie Kraft darstellt.


Solche und viele weitere Symbole stecken in jedem Gehirn hier im Raum. Es würde zu weit führen, zu erklären, warum das so ist. Vielleicht glauben Sie es mir auch so.


Auf jeden Fall benutzen Künstler diese Farbsymbolik in ihren Bildern.

Folie 10

Die Ausschnitte, die ich Ihnen gezeigt habe, stammen aus einem Bild der Künstlerin, deren Ausstellung wir heute eröffnen.


Muss ich dieses Bild jetzt interpretieren? Warum sollte ich das tun? Ihr Gehirn kennt die Symbole, mit denen die Künstlerin gearbeitet hat. Wenn wir die Elemente des Bildes nicht in Worte fassen, dann versteht unser Verstand sie vielleicht nicht – aber unsere Seele weiß auf jeden Fall, welche Gefühle hier dargestellt werden.


So überschreitet Kunst Grenzen, die wir mit unserem Verstand schwer überwinden können. Kunst kann direkt die uns allen gemeinsamen Symbole und Bilder der Gefühlswelt benutzen – und so direkt „von Seele zu Seele“ kommunizieren.


Und weil Glaube erzählt, wie wir die Gegenwart Gottes erleben – fühlen – können, darum kann Kunst auch den Glauben viel besser über die Grenzen unserer Schädelknochen hinweg transportieren, direkt in unsere Seelen hinein.


Folie 11


4. Die Sprache des Glaubens überschreitet Grenzen


Auch Gott bedient sich dieser Sprache. Die Bibel nutzt diese Sprache. Nur ein einziges Paradebeispiel:


Sie kennen die Geschichte vom brennenden Dornbusch. Moses begegnet Gott. Und Gott wählt für diese Begegnung einen in hellen Flammen stehenden Dornbusch aus.


Nachdem ich Ihnen eben ins Verstandesbewusstsein gehoben habe, was Sie alle schon immer wussten – nämlich was flammendes Rot und Gelb für einen Symbolcharakter haben – brauchen wir gar nicht mehr darüber zu reden, welche Botschaft Gott dem Moses bei dieser Begegnung gibt. Wir alle wissen eigentlich, dass der brennende aber nicht verbrennende Dornbusch sagt. „Ich bin Gott, die unendliche alles bestimmende Kraft dieser Welt.“ Die biblische Geschichte sagt das mit keinem Wort.

Muss sie auch nicht. Unsere Seele, unser Gefühl versteht das Symbol sofort. Nur unser Verstand kommt da nicht so direkt mit.

Muss er ja auch nicht unbedingt.


Neben diesen archetypischen Symbolen schaffen Künstler aber auch kreativ neue Symbole, um Gefühlswahrheiten des Glaubens zu erzählen.

Zum Beispiel: Was denken Sie bei dem Satz „Ich fühle mich wie ein Fisch im Wasser“?

Folie 12


Mir fallen dazu Assoziationen wie „Freiheit“, „gemeinsames Spielen“, „Harmonie“ und „Zufriedenheit“ ein. Aber mir fällt noch mehr ein, was ich nicht erklären kann.


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Wenn Frau Onken nun ein Bild mit dem Titel „Fischkreuz“ malt, dann schafft sie kreativ eine Symbolsprache, mit dem sie mehr über das Gefühl sagen kann, das zum Thema „Gemeinschaft der Glaubenden“ gehört, als ich in einem halbstündigen Vortrag erzählen könnte.

Mit Hilfe der Kunst kann der Glaube also Grenzen überschreiten, sich auf eine Art verständlich machen, die weit über die Mittel der Sprache hinausgeht.

Folie 14

Nun haben Sie es gleich geschafft. Ich bin beim letzten Impuls:

Mission überschreitet Grenzen

– und sie tut das oft mit den Mitteln der Kunst.


Ein einziges Beispiel möchte ich Ihnen dafür geben:

Folie 15


Dies ist ein Bild des indischen Künstlers Jyoti Sahi. Es stammt aus seinem Zyklus „Der Kreuzweg des Yogi Jesus“. Ein Inder hat hier seine Glaubenserfahrungen in indische Symbole übersetzt.


Für Ihren Verstand erkläre ich einige der Symbole auf diesem Bild:

Die Yoga-Haltung, in der Jesus hier dargestellt wird, nennt sich „Baum-Asana“. In Indien wird diese Haltung mit Buße und dem Flehen um Hilfe in Verbindung gebracht. Der Begriff „Buße“ ist im Indischen oft wortgleich mit dem Begriff „Feuer“. Das wird hier unterstrichen, weil Jesus vor einem flammenden Baum steht oder selbst einer ist.

Die über dem Kopf zusammengelegten Hände sind ein Zeichen der Verehrung.


Dieses Bild ist also – ähnlich wie die Bilder, die wir hier in unserer Ausstellung von Frau Onken haben – ein Motiv, das die Glaubenswahrheiten der Passions- und Osterzeit beschreibt. Nur eben, dass hier indische Theologie, indisches Denken einfließen.


Wenn ich mich diesem Bild stelle, dann erfahre ich also vielleicht ganz neue Wahrheiten über den Glauben – eben aus der Sicht eines indischen Christen.


Ich habe das mal in einem Text zu beschreiben versucht, der mir zu diesem Bild eingefallen ist. Ich habe es „Dialog mit dem Yogi Jesus“ genannt.

Eigentlich ist es ein Zwiegespräch. Ich möchte es Ihnen vorlesen. Aber ich kann das nicht mit zwei Stimmen tun. Doch vielleicht merken Sie auch so, was gemeint ist:


Herr, Du stehst so komisch da. Was soll das?

Ich leide!

Für mich sieht das nach Gymnastik aus.

Wärst du ein Inder, dann würdest du diese Haltung verstehen.

Aber du Herr, du bist doch gar kein Inder. Wieso tust du dann so?

Du hast Recht, ich bin kein Inder. Aber: Ich war auch nie ein Deutscher.

Ja, sicher. Aber diese Yogi-Haltung, die ist doch nun wirklich nicht christlich.

Das ist der Adventskranz auch nicht. Der ist ein Relikt aus heidnischen Sonnenwendfeiern. Und trotzdem erinnert er dich daran, dass ich bald wiederkomme.

Na ja, das ist eben ein Lichtsymbol. Dabei kann ich daran denken, dass du gesagt hast: „Ich bin das Licht der Welt.“

Stellst Du Dir unter „Licht der Welt“ eine Art riesige Kerze vor? Bin ich das für Dich?

Natürlich weiß ich, dass mit „Licht“ etwas anderes gemeint ist als eine Kerze!

Ja? Was denn?

Das kann ich nicht so richtig in Worte fassen. Dafür reicht meine Sprache nicht aus.

Eben! Darum benutze ich Bilder, Symbole. Wer hören und sehen kann, der wird verstehen.

Aber dieses Yoga-Symbol verstehe ich nicht.

Dann lass es dir von jemandem erklären, der es versteht.

Ich verspreche Dir, Du wirst vollkommen neue Seiten an mir entdecken.

Wozu soll das gut sein? Ich will dich so verstehen, wie ich dich seit Jahren kenne.

Schade. Du hättest einen Bruder kennen gelernt,

der mich so versteht, wie du mich nie verstehen kannst.

Du verwirrst mich, Herr!

Das ist gut. Du ahnst, dass ich größer bin, als es ein einzelner Mensch verstehen kann

Soll ich jetzt Yogi werden, um mehr von dir zu verstehen?

Nein. Nur ein Mensch, der andere Menschen braucht,

um etwas mehr von der Wirklichkeit zu erkennen.

Folie 16

Wir alle brauchen die Kunst – als Predigt, um mehr vom Glauben zu verstehen.

Und Mission braucht die Kunst als „Erweiterung ihres Wortschatzes“, um die Wahrheiten des Glaubens in die Seelen der Menschen zu transportieren.

Als Christus mit den Jüngern nach Emmaus ging, da hat er viel mit ihnen geredet. Ihnen erklärt, was in den Propheten steht und was das Ereignis von Karfreitag bedeutet. Als sie ihn hörten, „da brannte ihr Herz“, sagt die Bibel. Da spürten sie etwas.

Doch erst, als Jesus ein Symbol benutzte, nämlich das Brot brach, da machte es „Klick“ und sie kehrten um nach Jerusalem.

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Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.

Und ich wünsche Ihnen, dass es bei der Begegnung mit dem einen oder anderen Bild in der Ausstellung, die wir jetzt eröffnen, „Klick“ in ihnen macht.

Wenn das gelingt, dann ist es „der Mission“ einmal mehr gelungen, Grenzen zu überschreiten.

Folie 17

Vielen Dank.

"Ich bring dich durch die Nacht"

„Ich bring dich durch die Nacht – ich bring dich durch die rauhe See...“(Liedstrophe von Reinhard Mey)

Vortrag von Magret Sdrojek zu Bildern von Karola Onken am 17.4.2007 in Hermannsburg.(Kurz zusammengefasst).

...das Besondere an den Bildern ist die Deutungsvielfalt: jede und jeder entdeckt etwas anderes. Sie sprechen unmittelbar Gefühle an und lösen Neugier Faszination, Ärger, Trauer oder Freude aus. Sie bilden oft eine Landschaft, in der ich meinen Platz finde. Sie sind Sinn-bilder für etwas, was ich mit meinen Worten kaum beschreiben kann.

Zum Beispiel: das Segelbootkreuz aus den vier Einzelbildern. Da ist Dynamik, Kraft, Intensität und Spannung. Da sind die Segel prall gefüllt und wie in der Lebensmitte drängt sich alles zusammen. Wie komm ich da durch oder wie geht es weiter? Da sagt Karola Onken: „Je älter ich werde, desto mehr wir mir bewusst, welchen Schatz wir bekommen haben mit der Möglichkeit, sich auf Gott zu verlassen“....


Mich ziehen die Bilder mit Tiefe an. Starke Kontraste zwischen hellen und dunklen Farben. Die dunklen Farben sind Metaphern von Unsicherheit, Angst und Orientierungslosigkeit und die hellen drücken Klarheit über den Lebensweg und Freude über Gelingen und Gewolltsein aus....

Letztlich spürt man etwas von dem, der mich durch die Nacht bringt – dem „Durchbringer“ Christus......

„Ich bring dich durch die Nacht,
Ich bring dich durch die rauhe See.
Ich bring dich durch die Nacht,
Ich bringe dich von Luv nach Lee.
Ich bin dein Lotse, ich bin dein Mann,
bin deine Schwester – lehn dich an.
Ich bin dein Freund, der mit dir wacht.
Ich bring dich durch die Nacht.“

9. April 2007

Ostern im Kreuz

1. Betrachtung. Wegweiser des Kreuzes

Uralt ist die Symbolik von Oben und Unten. Sie liegt ja in uns als Menschen, in unserem aufrechten Gang. Denn wir tragen den Kopf oben und die Körperteile – um es mit Paulus zu sagen –, „die uns am wenigsten ehrbar zu sein scheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre“ unten. Das Helle des Geistes ist oben und das Dunkle der Materie unten. Was sich äußerlich in Himmel und Erde abbildet, das wiederholt sich in meinem Inneren.

Das Oben verbinde ich mit den klaren, guten Gedanken, den Idealen und Träumen. Denn sie steigen den Gasballons gleich in lichte Höhen. Gute Gedanken richten uns auf, erheben uns, ja verleiten uns zu Höhenflügen. Im Unten dagegen liegt – sein Name deutet es schon an – das Unterbewusste. Dorthin sinken die schweren Dinge des Lebens ab. Viele werden sogar mit Gewalt dorthin geschoben. Dazu gehört das persönlich Verdrängte, um dessen Aufdeckung Sigmund Freud sich so verdient gemacht hat. Starke negative Gefühle wie Hass und Zorn, schwer zu integrierende Triebe wie die Sexualität und belastende Erfahrungen im Leben sammeln sich dort. Aber auch das kollektive Unterbewusste, dessen Archetypen Carl Gustav Jung entdeckte, treibt dort sein Wesen in archaischen Gestalten von Drachen, Schlangen und anderen Fabelwesen. Das alles wird vom Bewusstsein in der Tiefe des Selbst verschlossen.

Aber damit beginnt genau die Spaltung des Menschen, seine Entfremdung von sich selbst. Ja, wir könnten sogar sagen: In dieser Spaltung liegt sein Kreuz! Denn sein Überbewusstsein, das zu himmlischen Höhen strebt, ist unvereinbar mit seinem Unterbewusstsein, dessen düstere Schwere in die Tiefe sinkt.

Wenn wir uns das Kreuz ansehen – Karola Onken nennt ihr Bild: „Das Kreuz als Wegweiser“ – dann entdecken wir etwas Ungewöhnliches: Die Schatten sinken nicht schwer hinab, sondern steigen am Kreuz hinauf. Es ist, als seien die Pforten der Tiefe und Hölle offen und das darin Verschlossene steigt dunklen Wolken gleich auf. Offensichtlich ist es die lichte Kraft des Kreuzes, die einen solchen Aufstieg möglich macht. Ja, je höher die dunklen Schwaden steigen, die auch Menschengestalten gleichen, desto mehr lösen sie sich auf wie Frühjahrsnebel im Licht der Sonne.

Wie ist es dem Kreuz möglich, das Dunkle und Schwere zum Aufsteigen zu bringen? Was bedeutet das Kreuz für die Schatten und Schandeflecke, die sich in einem Leben ansammeln? Wie können Verfehlungen und Schuld aufgehoben werden? Das Kreuz steht für das liebende Ja des Mannes, der – wie es im Johannesevangelium heißt – von sich sagt: „Niemand hat größere Liebe als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde...“ Eine solche Liebe nimmt alles an, was der eigene Verstand und das eigene Herz unerträglich finden und in der Tiefe verschließen will. Eine solche Liebe im Zeichen des Kreuezes macht aber auch das Schwere leicht, dass es aufsteigt und sich in ihrem hellen Scheinen wie Nebelwolken verflüchtigt. Ostern im Kreuz!

2. Gang nach Emmaus

Vielen ist diese Geschichte bekannt. Ja gegenwärtig wird sie zur Leitgeschichte der neuesten Erklärung, die der Lutherische Weltbund zur Mission herausgibt. Zwei Jünger gehen nach Emmaus. Auf ihrem Weg gesellt sich ein Dritter hinzu. Scheinbar weiß er nichts von den bitteren Ereignissen der letzten Tage. Sie erzählen es ihm. Ihr Herr und Meister sei unschuldig verurteilt worden und elend am Kreuz gestorben. Alle ihre Hoffnungen seien nun dahin. Der seltsame Fremde beginnt ihnen jedoch die heilige Schrift auszulegen. Dieser Jesus sei gar nicht gescheitert, sondern genau so müsse er zur Vollendung kommen. Staunend hören die Jünger dem Fremden zu. Erst beim Abendessen, als der das Brot bricht, erkennen sie ihn: Es ist der Herr! Doch dann entschwindet er vor ihren Augen. Soweit die biblische Geschichte.

Doch was sehen wir auf dem Bild von Karola Onken? Ganz anderes als das Auge der Phantasie sich vor Augen malt, wenn es den Spuren der Geschichte folgt. Denn auf dem Bild ist nichts davon zu merken, dass es in der Geschichte Abend wird. Nein, im Gegenteil, da gehen zwei Menschen in die aufgehende Sonne hinein. Die Helle glendet, die uns aus der Bildmitte entgegenleuchtet. Und noch ein zweites: Der dritte Mann, jener eigenartige Fremde, der mit den beiden Jüngern unterwegs ist – er fehlt! Künstlerische Freiheit – Phantasiereise des Glaubens? Versuchen wir, dem nachzuspüren, was der Pinsel in Form und Farbe brachte.

Es ist ja immer noch so, dass Menschen unterwegs sind in Fragen des Glaubens. Sie sind unterwegs voller Fragen und Zweifel, wie damals die zwei Jünger. Auch wir sind nicht allein. Denn der Glaube vermittelt sich über Menschen auf dem Lebensweg. Bis heute gibt es also solche Weggemeinschaften. Wenn zwei Menschen über das Leben austauschen, wiederholt sich der Gang von Jerusalem nach Emmaus. Doch wo ist Jesus? Wie ist er heute gegenwärtig? Er ist im Licht! Indem zwei Menschen miteinander das Schwere hin- und herbewegen, ist er mitten unter ihnen in den Momenten der Einsicht und Erleuchtung. Wieder ist es das Licht, das zum Symbol für den lebendigen Gott wird: Ostern im Kreuz!

Kaiser Konstantin, als er noch Heide war, erklärte 321 den Sonntag, den Tag der unbesiegbaren Sonne, des höchsten römischen Gottes, zum ersten Tag der Woche. Als das Christentum Staatsreligion wurde, hat es daran nicht gerüttelt. Aber es hat die Sonne mit dem auferstehenden Christus verbunden. So, als gleißendes Licht der Sonne ist er dabei und begleitet die Weggemeinschaft. Wer der Sonne entgegengeht, der kommt aus der Finsternis. Das wollen wir nicht vergessen. Und deswegen heißt ja diese Ausstellung: Ostern im Kreuz. Doch gibt es nur eine Richtung für ein Leben im Glauben: aus dem Dunklen und Rauhen der Sonne entgegen: „Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ, das, was mich singen machet, ist was im Himmel ist.“ So Paul Gerhardt in vierhundertsten Jahr seines Geburtstags!

3. Weiterwachsen

Seit uralten Zeiten ist das Holz des Paradieses und das Holz des Kreuzes zusammengesehen worden. Und schon in der mittelalterlichen Kunst wachsen das Kreuz Christi und der Lebensbaum des Paradieses zusammen. So auch in diesem Bild von Karola Onken. Als ich es sah, begann ich innerlich ein modernes Lied zu summen, das von einem Juden – Schalom Ben-Chorin 1981 – gedichtet wurde von einem Christen – Fritz Baltruweit – vertont wurde:

„Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?

Dass das Leben nicht verging, soviel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.

Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht. Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.

Freunde, dass der Mandelzweig, sich in Blüten wiegt, bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt.“

Alt ist das Bild von dem frischen Zweig, der aus dem abgehauenen Stamm von neuem Blüten treibt. Es reicht bis in die prophetische Tradition des Alten Testaments zurück. Es wird ein Reis – ein frischer Spross – aus dem toten Stamm Isais hervorgehen. Wer kennt nicht auch das Adventslied: „Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, wie schon die Alten sungen, von Jesse war die Art...“1 Der Kreuzesbaum wird zum Lebensbaum. Aus dem toten Holz entspringt neues Leben: Ostern im Kreuz


Die Farben des Bildes kann man verschieden deuten: Das Blau könnte für Treue stehen. So die Deutung der Künstlerin selbst. Ich will es als Blau der Kälte deuten, des Eises und des Winters, aus dem die Frühlingssonne die ersten Zweige des Mandelbaums hervorlockt. Inmitten der Kälte ist in roter Farbe ein Mensch gemalt. Rot wie das Feuer, die Wärme, das Leben. Für ihn, diesen Menschen, wird die Kälte der Rationalität, des Urteilens und Besserwissens aufgehoben. Im Blühen des Mandelzweigs zeigt sich das neue Leben, das ihm die nötige Wärme geben wird. Sie strahlt auch in diesem Bild wieder im Licht auf, das hinter dem Kreuz wie die Sonne aufgeht.

Noch ein Letztes: Klein, ja winzig ist der Mensch im Zeichen des Kreuzes. Ob darin auch etwas Tröstliches liegt? Die Natur und ihr Wiedererwachen in neuem Blühen ist das Größere, das Bergende, in das wir als Menschen hineingenommen sind

Abschluss:

Joh 12, 24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Wohl keiner hat den Zusammenhang von Leben und Tod, von Kreuz und Auferstehung inniger erfasst als der Evangelist Johannes, der nicht umsonst mit dem Lieblingsjünger in Verbindung gebracht wird. Ohne den Tod des Alten könnte das Neue gar nicht aufwachsen. Das Kreuz also ist nicht nur ein Justizirrtum, nicht nur ein dunkles Mahnmahl menschlicher Verfehlungen und menschlichen Versagens, sondern zeugt von der Notwendigkeit, dass das Neue nur durch das Sterben des Alten hindurch in die Freiheit gelangt. Deswegen, wenn es heißt, Ostern im Kreuz: Wo erfahre ich das Sterben. Wo umgeben mit die Schalen erstorbener Träume? Da genau ist das Samenkorn zu finden, das schon längst zu neuem Leben emporwächst!

1 Jes 11,1 Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. 2 Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. 3 Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, 4 sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. 5 Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften. 6 Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. 7 Kühe und Bären werden zusammen weiden, daß ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. 8 Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter. 9 Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt. 10 Und es wird geschehen zu der Zeit, daß das Reis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker. Nach ihm werden die Heiden fragen, und die Stätte, da er wohnt, wird herrlich sein.

Von /LHH/Dr. Georg Gremels