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"Bergpredigt". Acryl auf Leinwand, zweiteilig. Weitere Aufnahmen von Karola Onkens Bildern finden Sie nach einem Klick auf das Foto

31. Mai 2015

Bild und Bibel - „Auf Bilder hören“

Die Ausstellung zum Thema "Bild und Bibel" findet im evangelischen Gemeindehaus der Michaeliskirche in Winterbach Oberdorf 1 statt.
Während des Kirchentages ist jeden Morgen um 8.00 Uhr für Besucher Frühstück und Andacht mit einer Bildbetrachtung aus der Ausstellungsreihe von Karola Onken. Herzliche Einladung an alle Interessierte.
Die Ausstellung bleibt noch eine Woche nach dem Kirchentag bis zum 15.06.2015.

24. Januar 2015

Karola Onken – Bild und Bibel (Auf Bilder hören)

Laudatio zur Ausstellung Bild und Bibel

Ungewöhnlich ist die Bildfindung, mit der Karola Onken die Bibel ins Bild setzt. Abweichend von der traditionellen Bildikonografie sucht die Künstlerin neue Wege, um die biblischen Geschichten und christlichen Glaubensinhalte bildnerisch zu gestalten.
Und das, obwohl ihre Familie in der Tradition der Kunstgeschichte verwurzelt ist: Die Schwester des berühmten Malers der Romantik, nämlich von Caspar David Friedrich, war eine Vorfahrin von Karola Onken.
Die in Acryl gemalten, großformatigen Gemälde der Künstlerin, in denen sie biblische Themen hauptsächlich ausdrückt, aber auch ihre kleinformatigen Aquarelle, machen ihre abweichende Haltung gegenüber klassischen Bildinhalten deutlich:
Da ist beispielsweise das in der Ausstellung der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein gezeigte Bild mit dem Titel „Jona – Ausspeiung“. Schnell wird dem Betrachter deutlich, was gemeint ist, nämlich die biblische Geschichte des Propheten Jonas oder Jona, der ins Meer geworfen, von einem Fisch verschlungen und wieder an Land gespien wurde, um dort unter der Staude zu sitzen. So zumindest zeigen traditionelle Darstellungen die Szene in einprägsamer Bildhaftigkeit. „Eine spannende Geschichte“, drückt Karola Onken ihre Begeisterung für die Prophetenerzählung aus, und der Enthusiasmus der Künstlerin wird in dem Gemälde deutlich. Mit kräftigen Farben wie Rot, Gelb, Blau und Grün setzt sie die wunderbare Rettung des Jonas um. Expressiv ist das Auge des Fisches, das in Blautönen aus der Umgebung des grau-schwarzen Fischleibes heraus leuchtet.  
Ungewöhnlich ist die Darstellung des Propheten in dem Maul des riesigen Fisches, der fast das gesamte Bildfeld des 100 x 120 großen Leinwandbildes ausfüllt. Die sprungbereite Prophetenfigur ist von einer feurigen, gelb-roten Glut umgeben, die wie das Feuer eines Vulkans von dem Fisch ausgespuckt wird. Das Rettungswerk Gottes, das den Menschen vor dem Abgrund schützt, wird hiermit deutlich. Die Künstlerin weicht mit diesem Bildelement von der traditionellen, beliebten Ikonografie der zahlreichen Jonas-Darstellungen ab, die bereits sehr früh, in der Zeit des beginnenden Christentums, einsetzen und in der Katakombenmalerei des 2. Jahrhunderts (n. Chr.) genauso zu finden sind wie in der frühchristlichen Sarkophagplastik des 3. Jahrhunderts (n. Chr.).  

Kreativität und Kunst begleitet Karola Onken schon lange: Bereits als Kind verspürte die im Kriegsjahr 1943 kriegsbedingt in Bremerhaven geborene Künstlerin Freude am Malen und Zeichnen. Im Abitur, das sie 1962 in Delmenhorst im Oldenburger Land - wo sie in Delmenhorst-Adelheide aufwuchs - ablegte, wurde sie im Fach Kunst mündlich geprüft. Auch während ihres Studiums von 1962 bis 1965 an der Pädagogischen Hochschule Oldenburg mit dem Hauptfach Theologie begleitete sie die Kunst als Nebenfach. Nachdem sie 1968 den Oldenburger Pastor Christoph Onken geheiratet und ihre Tätigkeit als Lehrerin aufgegeben hatte, bildete sie ihre künstlerische Ausbildung in Kursen weiter. 
Heute wendet sie das Malen im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirchengemeinde Oldenburg und als Multiplikatorin der Glaubenskurse für Erwachsene „Stufen des Lebens“ an. Die Kurse, die in Obersulm-Willsbach entwickelt wurden, brachten sie in Verbindung mit der Tagungsstätte Löwenstein, in der ihre Arbeiten nun – 2015 – gezeigt werden.
Mittlerweile gibt sie auch selbst Malkurse und leitet Malreisen, die sie schon nach Hiddensee und Rügen geführt haben und noch führen, also dorthin, wo der Dresdner Romantiker C. D. Friedrich im 19. Jahrhundert die Inspiration für sein berühmtes Bild „Kreidefelsen auf Rügen“ empfangen hatte.
Zur Biografie von Karola Onken gehört aber auch ihre Heimat Vorpommern, wo ihre Familie herstammt und wo sie als Kind eine kurze Zeit verbracht hatte, bevor ihre Eltern nach Delmenhorst übersiedelten. Diese ehemals zur preußischen Provinz Pommern gehörende Ostseeregion ist heute Teil des deutschen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, und sie war auch die Heimat von C. D. Friedrich, der in Greifswald geboren wurde.

Der Wasserreichtum Vorpommerns mit der Ostseeküste und der Boddenlandschaft als heimatliche Region, der sich die Malerin emotional zugehörig fühlt, hat sich in ihren Bildern niedergeschlagen: Eine ganze Reihe von Acrylbildern sind dem Motiv der Kraniche gewidmet. Zweimal im Jahr, nämlich im Frühling und im Herbst, treffen sich die großen Zugvögel auf ihrer Rast an den flachen Gewässern der Landschaft. Zehntausende von ihnen liefern mit ihrem Flug und Balzspiel ein Naturschauspiel, das die Künstlerin mit expressiv gesteigerter Farbigkeit festgehalten hat. So setzt sie den grauen Farbtönen der im niedrigen Wasser stehenden oder auffliegenden Vögel einen violett-gelben Komplementärkontrast oder Farbabstufungen in Rot entgegen und gibt damit ihr persönliches Erleben des Schauspiels wieder.

Die Farbe als Ausdrucksmittel spielte bereits in der Malerei der Romantik und dann wieder in der Kunstepoche des Expressionismus eine große Rolle und kennzeichnet auch den Zyklus von Karola Onkens biblischen Bildern. So zum Beispiel in dem großformatigen, 120 x 140 cm messenden Gemälde „Garten Gethsemane“, dessen nächtlich-dunkle, die große Bildfläche beherrschende Farbigkeit von einem kräftig roten Farbfleck durchbrochen wird. Das Rot setzt einen kontrastierenden Akzent in der von Grau bis Schwarz reichenden Malerei als eine Betonung, die nicht nur formale sondern auch inhaltliche Gründe hat: Die rote Farbe symbolisiert die Liebe, die Christus den Menschen bis zu seinem Ende entgegen brachte. Im Unterschied dazu steht die schwarze Farbe für die der Menschheit drohenden Gefahr des Hasses der Welt.

Die Darstellung vom Ölberg stellt ein weiteres Beispiel für die ungewöhnliche Bildikonografie in der Kunst Karola Onkens dar: In der Geschichte der Bilddarstellungen mit dem Bibelmotiv des Gebets Christi am Ölberg ab dem 4. Jh. weisen die Bilder durchweg Christus als Betenden in seiner Todesangst auf. Auch die Figuren der Jünger, zumindest Petrus, Jakobus und Johannes, sind in der Szene im Garten von Gethsemane in der Regel zugegen. 
Die Künstlerin verzichtete dagegen auf jegliche Figurendarstellungen und zeigt in ihrem Bild den Garten als ausschnitthafte Landschaft mit drei knorrigen Bäumen, die stellvertretend für eine Wildnis der Natur stehen. Die Baumformen beherrschen die Komposition und betonen das Schaurige der Passionsszenerie sowie die trostlose Verlassenheit, die Christus angesichts seines Todes fühlte. Das Rot deutet in dem Zusammenhang auch auf sein Blut hin.
Gerade durch das Fehlen der Figur Christi lässt die Malerin das Thema so weit offen, dass die Betrachter anhand des Bildes ihre eigenen Gedanken und Stimmungen entwickeln können. Dass sie die christliche Thematik nur andeutet oder mehrdeutig darstellt, ist sogar zu einem Prinzip ihres künstlerischen Ausdrucks geworden, das in ihrer Malerei immer wieder begegnet.
Offen in seiner inhaltlichen Ausdeutung und abweichend von der Bildtradition ist auch das Aquarell „Jakobs Kampf am Jabbok“, das zwei kämpfende Männer zeigt, gestaltet. Weder die Flügel eines Engels, die in der Kunstgeschichte traditionellerweise auf die biblische Geschichte hinweisen, noch das Umfassen der Hüfte beim Ringen, mit dem der verrenkte Hüftknochen Jakobs als Folge des Kampfes in der Bildtradition angedeutet wird, sind in dem Bild von Karola Onken vorhanden. 
Dagegen weist sie auf den frühen Morgen hin, von dem im biblischen Text der Genesis-Geschichte die Rede ist: „Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach“, heißt es dort. In spektralen Farbstreifen in Gelb, Rot und Blau zum Zeichen des Bundes von Gott mit den Menschen leuchtet der Himmel, an dessen Horizont die Sonne aufgeht, in ihrer Malerei.  
Als Text ergänzend zum Bild nennt sie den Psalm 139, in dem David singt: „Herr, nähme ich Flügel der Morgenröte, und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen, und deine Rechte mich halten.“
Auch der Segen spielt in ihrer Darstellung eine Rolle, und so legt die schemenartig wiedergegebene, größere Gestalt der beiden Männer ihre Hand auf den Kopf der kleineren Jakobs-Figur.  
„Auf Bilder hören“ lautet der Titel der Ausstellung in der Tagungsstätte. Gemeint ist damit das, was in dem Text der Einladung zur Vernissage schwarz auf weiß abgedruckt ist: „Die Bilder wollen ansprechen und zu persönlicher Auseinandersetzung anregen, zu Antworten herausfordern.“ Im Zusammenhang mit dem Ausstellungs-Titel ist auch das Buch „Ich bin ganz Ohr“ von 2009 zu nennen, in dem über 30 Autoren, darunter so bekannte wie Pater Anselm Grün vom Kloster Münster-Schwarzach, Betrachtungen zum Thema Berufung zu Bildern von Karola Onken verfasst haben. In dem von Georg Gremels herausgegebenen Text- und Bildband wird deutlich herausgestellt, dass der Betrachter auf die Bilder hören soll, auch wenn sie eigentlich das Auge ansprechen.

Doch die Künstlerin legt in ihrer Malerei das Betrachter-Auge nicht fest. So wird der Betrachter auch, was das Titelbild der Ausstellung in Löwenstein angeht, im Unklaren gelassen, was eigentlich dargestellt ist. „Aus Unschärfe erwächst Klarheit“, kommentiert die Künstlerin die uneindeutige und mitunter formal auch undeutliche Darstellungsweise ihrer Bilder. „Kreuz als Wegweiser“, lautet der Titel des zur Ausstellung einladenden Gemäldes in Acryl. Das Bild lebt aus der Farbe heraus, und in gelber Farbigkeit zeichnet sich ein Kreuz vom Farbgrund der Bildfläche ab. Der farbige Grund des Leinwandbildes setzt sich aus wabernden Farbflächen in Grau, Blau, Grün, Gelb und Grün zusammen. Die Flächen gehen fließend ineinander über und bilden ein verschwommenes Farbmeer. Doch gibt es darin nicht Gestalten zu erkennen? 
Tatsächlich scheinen sich Figuren am Fuß des Kreuzes herauszuschälen, zumal der Betrachter Bilder mit vergleichbaren Motiven kennt, Bilder der Kreuzigung Christi mit mindestens Maria und Johannes zuseiten des Gekreuzigten oder Bilder der Himmelfahrt Christi mit dem von den Aposteln in himmlisch gleißendem Licht entrückenden Christus. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, zitiert Karola Onken die Worte Christi nach dem Text des Evangelisten Johannes (14,6) im Zusammenhang mit dem Bild.
Das Titelbild steht in einer Reihe mit zahlreichen Darstellungen von Karola Onken zum Thema Kreuz, die in der Wanderausstellung „Berufung im Kreuz“ gezeigt und zusammen mit Texten als begleitende pädagogisch-liturgische Arbeitshilfe vom Bistum Münster veröffentlicht wurden.
Viele der Kreuzes-Bilder sind auch in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein ausgestellt: So begegnet in dieser Ausstellung das Bild mit dem Titel „Das Fischkreuz“, in dem die Menschen durch das urchristliche Symbol und Sinnbild des Gläubigen, nämlich den Fisch, dargestellt sind. Die Fische schwimmen als Strom im Wasser, und auf der Wasseroberfläche spiegelt sich in atmosphärischer Darstellung das gelbe Licht der Sonne in Kreuzesform. „Die erleuchteten Fische sind mit Gott in Berührung gekommen“, kommentiert die Künstlerin die Bildidee, die – wie so oft in ihrer Kunst – sehr eigenständig ist.  
Ihre Bilder erscheinen geheimnisvoll, und sie fordern zur Betrachtung der christlichen Botschaft heraus, die sich hinter ihnen verbirgt.

Dr. Martina Kitzing-Bretz, Kunsthistorikerin